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Advice: UTS 101 (Teil 1- Für Eltern)

Aktualisiert: 23. Okt. 2021

Ihr Kind wurde gerade mit dem UTS diagnostiziert? Vielleicht sogar in einem Alter, in dem man noch kaum abschätzen kann, wie sich diese Diagnose einmal auf das Leben des Mädchens auswirken wird? Und plötzlich ist man mit tausend verwirrenden, beängstigenden Informationen zu etwas konfrontiert, wovon man vorher noch nie gehört hatte. Was tun?



Zunächst einmal tief durchatmen, die Ruhe bewahren. Das UTS ist nicht das Ende der Welt. Ihre Tochter wird alles erreichen können, was Sie sich für sie erträumen (ja, sie kann sogar Mutter werden). Sie hat alles in allem dieselben Chancen, dieselben Bedürfnisse, wie jedes andere Kind auch. Mit dem UTS lässt es sich oftmals sehr gut leben.


Sich nach der Diagnose eine Zeit lang irgendwie taub und wie in einem schlechten Traum gefangen zu fühlen, ist in Ordnung. Zu weinen und seinen Schmerz in die Welt hinauszuschreien, ist in Ordnung. Eines verspreche ich jedoch: Glücklicherweise gehört das UTS zu denjenigen Diagnosen, die mit der Zeit einiges von ihrem Schrecken verlieren.


Sogar Googeln ist in Ordnung, mit einigen wenigen Caveats. Lassen Sie mich kurz erklären, was genau ich damit meine. Jeder, der irgendwie über diesen Blogeintrag stolpern sollte, hat definitiv schon eine der üblichen laaangen Listen mit möglichen Problemen im Zusammenhang mit dem UTS gesehen. Beängstigender wird es nicht. Tatsächlich sind diese Listen oftmals so schlecht kommentiert, körperliche Stigmata und "echte" gesundheitliche Probleme so durcheinandergeworfen, dass sie in keinster Weise ein realistisches Bild liefern. Wenn man also einmal eine solche Auflistung von Risiken und äußerlichen Merkmalen gesehen hat, machen weitere korrekte, hilfreich übermittelte Informationen das UTS nur weniger beängstigend. Jedoch sollte man natürlich mit denjenigen Quellen aufpassen, die tatsächlich faktisch falsche Informationen verbreiten, und selbst bei an sich korrekten Informationen, die man etwa von verschiedenen UTS- Vereinigungen bekommt, braucht man unter Umständen einiges an Erfahrung, um sie richtig einordnen zu können. Irgendwie dachte ich immer, um ein realistisches Bild vom UTS zu liefern, würde es reichen, die Duzende möglicher gesundheitlicher Probleme ausführlich zu erläutern, und dabei zu verdeutlichen, wie häufig jede dieser Komplikationen für jemanden mit dem UTS ist. (Tatsächlich sind die meisten Dinge nämlich entweder gut behandelbar, oder selten- je nachdem, wie man diesen Begriff auffasst natürlich.) Für andere ist diese Erkenntnis vielleicht selbstverständlich- aber so tickt die Mehrheit der Menschen einfach nicht. Für viele Mediziner ist diese Art der Informationsvermittlung sicherlich in Ordnung, die meisten Menschen jedoch waren in ihrem Leben noch nicht häufig genug mit irgendwelchen medizinischen Diagnosen konfrontiert, um diese rein rational in "schlimm" und "damit kann ich leben" einzuteilen, oder Risiken in die Schubladen "das solltest du lieber sehr ernst nehmen", beziehungsweise "das passiert dir sowieso nicht, mach dir keinen Kopf" zu stecken. Jede Diagnose verunsichert erst einmal.


Und an dieser Stelle brauchen gerade unsere Eltern eine andere Art von Information. Denn was wirklich hängen bleibt und emotional berührt, sind Geschichten von Betroffenen. Ein guter Startpunkt sind dabei Beratungstelefone von UTS Vereinigungen, oder auch Facebook Gruppen. Wenn man in diesen Facebookgruppen seine Ängste beschreibt, sind die Kommentare unter solchen Posts meiner Erfahrung nach durchweg sehr aufbauend und hilfreich. Jedoch sollte man selbst hier auf einige Dinge achten. Auf YouTube, oder auch in Facebookgruppen beziehungsweise generell auf social media, sind Betroffene deutlich überrepräsentiert, die mit jeder Menge mit dem UTS zusammenhängender und auch vom UTS vollkommen unabhängiger Probleme kämpfen. Da die meisten von uns keine Ärzte ist, werden diese beiden Kategorien auch nicht immer sauber voneinander getrennt, und die Wortwahl bei der Beschreibung von medizinischen Sachverhalten ist nicht immer ganz glücklich. Eigentlich ist die Überbetonung von "schweren Fällen" in der öffentlichen Darstellung des UTS logisch- denn wie viele Prozent der Mädchen ohne große Probleme wurden (bis vor vor einiger Zeit zumindest) schon vor beziehungsweise kurz nach der Geburt diagnostiziert? Welcher Anteil von uns setzt sich nie groß mit dem UTS auseinander, und welche Gruppe von Frauen mit dem UTS betrifft das vermutlich vor allem? Wer stellt sich schon zwanzig Minuten lang vor eine Kamera, oder schreibt ausführliche Posts in Facebook Gruppen, nur um kundzutun, dass er ein bestimmtes Problem persönlich ja nicht erlebt hat? Vielleicht ist das alles halb so wild, denn viele Eltern bekommen anscheinend, leider auch von Medizinern, ein derartig schlimmes Bild vom UTS vermittelt, dass praktisch jeder Betroffenenkontakt zu einer "positiven Überraschung" wird.


Suchen Sie also definitiv den Kontakt zu Betroffenen (schreiben Sie auch mich gerne an), während Sie auch hier einige Dinge im Hinterkopf behalten. Ansonsten muss absolut nichts jetzt sofort getan oder entschieden werden, sie haben Zeit, mindestens einige Monate, für viele Überlegungen auch Jahre. Beobachten, abwarten, auf sich zukommen lassen. Und keine Probleme erwarten oder schon im Vorhinein verhindern wollen, sondern möglichst frühzeitig reagieren, wenn erste Anzeichen für echte Probleme auftreten. Wenn man sich sehr genau über das UTS informiert, bemerkt man irgendwann, dass bestimmte Probleme, die man für mit dem UTS zusammenhängende Probleme hält, das nicht einmal zwangsläufig sind (zum Beispiel hängt eine erhöhte Prävalenz von Depressionen wohl mit Unfruchtbarkeit, nicht mit dem UTS an sich. zusammen, "Probleme in Mathe" sind genau genommen Schwächen im räumlichen Vorstellungsvermögen, die in der Schulmathematik nicht einmal unbedingt auffallen müssen, und wenn, dann nur in bestimmten Bereichen des Matheunterrichts). Aber dieses genauere Wissen um verschiedene Aspekte des UTS brauchen Sie weder heute noch morgen, und womöglich nie. Natürlich informiert man sich am besten stückchenweise, um nicht von all den Fakten und Wahrscheinlichkeiten erschlagen zu werden, und manche Informationen sind für eine bestimmte Person einfach nicht relevant. Hier kommt es unter anderem auf den eigenen Persönlichkeitstyp an- ich persönlich stelle mir wenn ich etwas nicht genau weiß immer das schlimmstmögliche Szenario vor, und da hilft Hintergrundwissen wiederum weiter. Im Allgemeinen reicht es jedoch, die vorgeschlagenen Vorsorgetermine einzuhalten, und das Mädchen mit UTS ansonsten zu behandeln wie jedes andere Kind auch.


Neben verständlicherweise wegen des UTS sehr besorgten Eltern, gibt es übrigens auch immer wieder solche, die annehmen, sie würden irgendeinen schrecklichen Aspekt des UTS übersehen, weil ja so viele andere das UTS als irgendwie schlimm darstellen, oder sich sogar für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Keine Angst: Sie übersehen nichts. Am UTS ist an sich nichts Schreckliches oder Lebensunwertes.


Und an alle Eltern eines etwas älteren Mädchens mit dem UTS: Ihr kennt eure eigene Tochter, durch die Diagnose ist sie nicht plötzlich ein anderer Mensch. Ihr wisst immernoch deutlich besser als fremde Mitglieder irgendwelcher Facebookgruppen, was ihr zuzutrauen ist, und wo sie eventuell etwas Unterstützung braucht. Macht euch keinen Kopf, mögliche schulische, soziale, motorische Probleme fallen auf, wenn man die Augen offen hält. Und zuhört.


Am liebsten würde ich Sie alle in den Arm nehmen und Ihnen sagen: Alles wird gut. Wir alle wissen, dass wir gute Ausgänge einer Schwangerschaft, je nachdem, wie weit die Schwangerschaft schon fortgeschritten ist, oftmals leider nicht versprechen können. Sobald das Mädchen jedoch geboren ist, und gravierende Herzfehler ausgeschlossen sind, kann ich es Ihnen guten Gewissens versprechen:

She is going to be fine.

 
 
 

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